Mittwoch, 17. Juni 2015

Flaschenpost zur anderen Seite des Ozeans

Ihr Lieben,

lange habe ich mich nicht gemeldet - und dafür entschuldige ich mich. Die letzten Tage, Wochen und Monate sind wie im Flug an mir vorbeigezogen. Kaum blinzle ich und es sind schon wieder einige Stunden vergangen. Mein Auslandsjahr neigt sich dem Ende zu, in weniger als einer Woche wird das Lebenskapitel Virginia abgeschlossen sein. Es geht zurück nach Deutschland, zurück zu Kühen und Traktoren, zurück zu meinen Freunden, zurück zu meiner Familie, zurück nach Hause.

Mein Jahr im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war aufregend, herausfordernd und vollgepackt mit Veränderungen. Viele Menschen fürchten Veränderungen, schrecken vor ihnen zurück und versuchen, ihnen zu entgehen. Denn Veränderungen bedeuten, aus dem gewohnten Umwelt gerissen zu werden und vielleicht auch mal ins kalte Wasser zu tauchen. Aber wer sagt, dass das was Schlechtes sein muss? Man kann versuchen, Veränderungen zu entgehen oder aber man beweist Mut und stellt sich ihnen. Veränderungen haben meine Augen geöffnet und mich meine Umwelt und Menschen besser verstehen lassen. Wenn ich etwas in meinem Auslandsjahr gelernt habe, dann, dass jeder seine eigene Geschichte schreibt, seine eigene Vergangenheit besitzt - auf die Umwelt und Umfeld weitaus beeinträchtigender einwirken als es auf den ersten Blick scheint. 

Bevor ich auf mein Jahr als Ganzes zurück blicken möchte, wollte ich noch von Prom berichten. Prom war unser Abschlussball, typisch kitschig-amerikanisch, wie man es aus all den Filmen kennt. Es war spektakulärer als der Homecoming Ball im Oktober. Einer der grundlegenden Unterschiede war wohl, dass anders als beim Homecoming nur Upperclassmen, also 11 und 12-Klässler eingeladen wurden. Während beim Homecoming kurze Kleider getragen werden, sind hier bodenlange Kleider angesagt. Alles war etwas mehr formell, von der Musik über die Gaderobe bis hin zum Veranstaltungsort. Prom fand in einem Hotel statt (Homecoming war in der Schulturnhalle), das direkt neben dem Hafen des Flusses Potomac gelegen ist. Mit Ausblick auf das Wasser, Schokoladenbrunnen und Tanzfläche wurde die richtige Atmosphäre geschaffen. Ich bin mit einer Gruppe von Freunden gegangen. Weil wir uns Geld sparen wollten, haben wir uns bei Mary (lila Kleid) getroffen, und dort zu Abend gegessen und
Fotos gemacht. Danach ging es zum Ball, wo wir bis 12 reichlich getanzt, gelacht und Schokolade gegessen haben. Als Prom zu Ende war, fuhren wir zurück zu Mary, wo Pizzabrötchen, Capri Sonne (total witzig, hier Capri Sun mit ganz anderen Geschmacksrichtungen) und Just Dance auf uns gewartet haben. Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht war Prom besser als Homecoming, weil ich engere Freundschaften geschlossen habe? Obwohl ich sagen muss, dass bei der Musikwahl immer noch reichlich Luft nach oben war.  Aber beschweren will ich mich nicht, denn allem in allem war es ein sehr gelungener Abend, den ich so schnell ganz sicher nicht vergessen werde.


Wenn ich mein Jahr Revue passieren lasse, muss ich sagen, dass ich stolz auf mich bin. Stolz auf das, was ich erreicht habe. Ein Jahr von zu Hause weg zu sein ist nicht immer einfach, so aufregend und neu auch alles zu sein scheint. Ein Jahr von zu Hause weg zu sein bedeutet, sich selbst auf die Probe zu stellen. Es bedeutet, sich selbst kennen zu lernen. Es bedeutet zu schätzen wissen, was man hat und herausfinden, wer man sein möchte. Während und bevor meinem Austauschjahr haben mir viele mit auf den Weg gegeben, dass ich mich verändern werde. Ich war offen für Veränderungen, ich stehe Veränderungen nicht negativ entgegen. Dennoch würde ich behaupten, dass ich persönlich mich nicht verändert habe. Im Gegenteil, meine Wertorientierungen und Ziele haben sich nur stärker gefestigt. Sorry Papa, meinen nervigen, unerschöpflichen Optimismus scheinst du wohl nie loszuwerden. Und das ist gut so! (Ha, irgendwer mein Pur-Zitat erkannt?) Ich bin immer noch der Meinung, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert und Teil eines größeren Bildes darstellt. Selbst mein Humor macht immer noch keinen Sinn. Und last but not least, ich bin immer noch tollpatschig. Leider Gottes. Packt das Porzellan ein und holt die Plastiktellerchen raus. Ich hab mir wirklich Mühe gegeben dieses Jahr, aufgepasst wie noch nie - und heute morgen noch habe ich einen Bilderrahmen von der Wand gerissen, der meinem fantastischen Freudentanz nicht Stand halten konnte. Upps. Hat Gott sei Dank keiner gesehen und nichts ist kaputt. Puh.

Ein Jahr ist eine lange Zeit und obwohl ich diese Zeit genossen, ausgenutzt und geschätzt habe, freue ich mich darauf, zurück nach Hause zu kommen. Es ist traurig und etwas abrupt, wie ich mein amerikanisches Leben, das ich in den letzten 10 Monaten aufgebaut habe, verlassen werde. Viele Aspekte der Kultur, insbesondere die Höflich- und Gastfreundlichkeit, sowie wunderbare Menschen, die ich treffen durfte und nun glücklicherweise zu meinen Freunden zählen kann, werde ich sehr vermissen. Aber wie sagt man so schön, zu Hause ist es immer noch am Schönsten. Ich freu mich darauf, den Rest meines Lebens mit euch zu starten - und ich hoffe, dass ich in der Zukunft soviel wie möglich von diesem Planeten sehen werde.


Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf.

                                                                      - Oscar Wilde

Jede Reise, jede Wanderschaft ist ein Aufbruch zu neuen Ufern, ein Sprengen der Ketten, die uns an den Felsen des Alltäglichen und Gewohnten schmieden.

                                                                                        - Dr Carl Peter Fröhling

Das wichtigste Stück des Reisegepäcks ist und bleibt ein fröhliches Herz. 

                                                                            - Hermann Löns

Vielen Dank an jeden einzelnen von euch, die ihr mich während meines Auslandsjahres unterstützt habt.  Ich hoffe, ihr wisst, dass all das ohne euch nicht möglich gewesen wäre und ich jeden positiven Gedanken zu schätzen weiß.





Bis Donnerstag!

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